Und so schaue ich durch die Dunkelheit der Nacht hin auf die Leuchtreklamen und das laute, schreiende Nachtleben dieser nie schlafen wollenden Großstadt. Multikulturelles Flair vereint mit bodenständig bayerischer Gelassenheit. Schaut man sich München von aussen aus an, so wird einem niemals klar welch wunderbar dörfliches Leben diese scheinbar pulsierende Weltmetropole am Isarstrand versteckt……
Jetzt die Videografie ansehen: Sonntag Morgen ist Giesing noch in Ordnung
Nein! Ganz klar: Auch von ausserhalb ist München eben keine der pulsierenden Großstädte die sich in den Reigen neben New York, Rio, Tokyo und Berlin einreiht. Ganz im Gegenteil. Selbst wer in der “Weltstadt mit Herz” lebt wird nur sehr sehr schwerlich etwas vergleichbares mit den anderen großen Städten dieser Welt bemerken. Jetzt mag das für den ein oder anderen absolut anbiedernd oder gar fürchterlich sein. Mir persönlich gefällt München. Mir gefällt die Millionenstadt am Fuße der bayerischen Alpen. Denn wer nach Großstadthektik und Internationalität sucht wird hier allenfalls bei Hofbräuhaus und Oktoberfest findig.
München das ist eine Heimat für mehr als 1,4 Millionen Bürger. Sicherlich: München liegt bei den Millionenstädten weltweit auf Platz 330. Gar nicht so weit hinten, wenn man bedenkt, dass in China 102 Millionenstädte existieren von denen uns nur die wenigsten bekannt sind. Von der Aussprache der Namen ganz zu schweigen.
Millionendorf oder nicht? Auf jeden Fall!
Am Ende ist München aber tatsächlich das viel besungene “Millionendorf”. Eine Ansammlung von mehreren Orten die gemeinsam eben diesen Weiler im oberbayerischen Vor-Voralpenland bilden. Da geht der Pasinger eben auch Abends in Pasing sein Bier trinken. Der Schwabinger kauft seine Semmeln auf dem Weg in seine Schwabinger Arbeitsstätte auch beim Schwabinger Bäcker und der Giesinger geht Sonntag morgens bevor er im Giesinger Bräu seinen Schweinsbraten bestellt eben in Giesing spazieren. Viele kleine Dörfer, die sich am Isarstrand zu diesem Konglomerat “München” zusammengeschweisst haben.
Giesinger Wandlung
Giesing. Das ist ein Arbeiterviertel. Oh Gott. Welch Klischee! Nein. Giesing ist sicherlich alles. Nur kein Arbeiterviertel mehr. Naja vielleicht noch ein bisschen. An manchen Stellen. Aber auch Giesing wird Opfer der “Gentrifizierung” wie es so schön heisst. Denn was Haidhausen schon hinter sich zu haben scheint blüht jetzt dem bodenständigen Giesinger. Ohje! Hilfe! Was heute als “Agfa-Gelände” deklariert wird und wo sich die hippen Unternehmensberater mit ihren SUVs nur so tummeln ist bereits schon nicht mehr das was der Giesinger wohl als “sein Giesing” beschreiben würde. Mir fällt da ein schönes Graffiti ein. Am Zugang zum Weißenseepark, direkt in Nachbarschaft des vorher genannten Agfa-Geländes und mit direkter Sichtbeziehung zum Kinderspielplatz steht da in großen Lettern auf einer betonierten Sitzpank geschrieben: “Gentrifickt euch selber!” – Ein Satz, der mir jedes Mal wieder ein Lächeln, ja vielleicht sogar ein Lachen heraus kitzelt. Gerade weil ich es so wunderbar bescheuert finde. Mein Gott… Da wird nicht Giesing vom ach so armen Arbeiterviertel zum hippen Großstadtmoloch. Nein! Ganz München durchlebt doch eine Metamorphose. Und das wahrscheinlich seit den olympischen Spielen 1972. Oder doch schon viel früher?!? Und wer jetzt auf die Idee kommt zu sagen: “Ich sags doch! Die olympischen Spiele versauen und zerstören die authentischsten Orte dieser Welt” – dem möchte ich entgegnen: München wäre wohl heute nicht der Lebensmittelpunkt von so vielen Menschen, wären sie nicht gewesen. Die olympischen Spiele in München. Und genau das macht München für mich nämlich zu einer der schönsten Städte der Welt. Genau dieser Mix. Die bayerische Gemütlichkeit, die durchmischte Gesellschaft und dieser einzigartige Charme, den ausser München nur noch sehr wenige Städte teilen. Schimpfen kann man viel. Am besten man nimmt es so wie es ist. Und dann ist München und insbesondere Giesing von wirklicher Schönheit.
Geht man Sonntag morgen durch die Straßen von Giesing fehlt auch hier jegliche Art von Großstadthektik und Internationalität. Ganz im Gegenteil. Verschlafenheit gepaart mit dörflichem Charme und eben trotzdem dem irgendwie vorhandenem großstädtischem Leben schlagen da einem entgegen. Während einem Spaziergang an einem sonnigen Sonntag morgen im vergangenen Juni 2017 fiel mir genau dieses Flair auf und hat mich dann doch wieder extrem an meine Regensburger Heimat erinnert. Bayern kann glaube ich einfach nicht Großstadt oder Weltmetropole. Ganz im Gegenteil: Bayern kann glaube ich tatsächlich noch nicht einmal wirklich Deutschland. Denn nicht nur die Stammtischparolen die für alle anderen deutschen immer nach “Mia san Mia”, Weißwurschtäquator bzw. höchster Arroganz in den Ohren klingeln dürften, nein auch das ganze Lebensgefühl und die Kultur ähneln dem rest der Republik in meinen Augen nur bedingt. Vielleicht sind Städte wie Hamburg oder Düsseldorf ähnlich. Aber eben nur bedingt.
Egal wie. Meinen Spaziergang Sonntags durch Giesing habe ich wieder in einen kurzen Film gepackt. Denn wenn das Schöne schon so nah…